Liebe Leserinnen und Leser,
wann haben Sie Ihr letztes Fest gefeiert? Wie wichtig ist Ihnen das Feiern? Was überhaupt ist das: "feiern"? Vielleicht ist die Frage banal, vielleicht aber auch Anreiz, genauer hinzusehen, Rituale zu erfassen, Details zu beachten, das Wesen zu erkennen.
Ob intim oder im großen Rahmen, periodisch, ritualisiert, geplant oder spontan, plötzlich und unvorhergesehen - das Feiern, das Fest bilden einen Rahmen, am Geschehen teilzuhaben, sich zu entäußern, mittendrin zu sein. Freude, Trauer, Überraschung, Liebe, Offenbarung, Bezeugung, Zeremoniell, Getriebensein, simple Feierlaune: im jeweiligen Rahmen ist der Raum gegeben, im Moment zu sein, sich je nach Betroffenheit, unter mehr oder weniger Formalisierung, Ritualisierung, Zwangsgebaren einzulassen und hinzugeben.
Freiheit, Ausgelassensein, Überschwang, das ewige Spiel mit den Grenzen: das Feiern bietet per se die Möglichkeit, loszulassen, auszuufern, hinauszuschwappen. Nicht selten holt Beteiligte gerade hier der so bezeichnete Ernst des Lebens wieder ein.
Das Leben ein Fest? Im Sommer erscheint es dem einen oder anderen vielleicht leichter, die Frage mit ja zu beantworten. Es gibt aber auch jene, die sagen: jeder Augenblick ein Fest.
Die Hochzeit als Symbol und Akt der Vereinigung, das Leben gemeinsam zu gehen, in Freude und Verbundenheit, in Wahrhaftigkeit und Liebe. Ein Schritt, der mehr und mehr in bürgerliche Konvention gerann, bis er schnell wieder verzagte, als die schützende wie fesselnde Infrastruktur vom Menschen abzuschuppen begann wie eine zerschlissene Haut. Umso bedeutsamer die gemeinschaftlichen Feste, die menschlichen Zusammenkünfte, als Auffangbecken von Anonymität und Haltlosigkeit nicht selten scheinheilig gesucht. Freiheit? Ihr allzu lautes Vorhalten unter Selbstzweck schafft den gleichen Abhängigkeitsgrad wieder, dem man einst zu entkommen suchte. Der Freiheitsgedanke wird zum Dogma, zur Farce, zum eigenen Widerspruch gebracht.
Leben: vielleicht das schwerste Spiel auf Erden, ein Grund zum Feiern allemal. Nietzsche denkt Wahrheit als den Schmerz, der sich nach Erlösung im lustvollen Schein sehnt. Dies unter Rekurs auf die Griechen: in der Anbetung des Scheins hätten sie sich darauf verstanden, zu leben, aus Tiefe. Demokrit sagt es so: Ein Leben ohne Feste ist eine weite Reise ohne Gasthaus. Augustinus meint: Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut.
Und ich meine: mit dem Ja-Sagen können wir ja noch üben. Wohl bekomm's!
Tanja Porstmann |